MoVo-Prozessmodell
Das MoVo-Prozessmodell liefert die theoretischen Grundlagen der MoVo-Interventionen. In ihm werden die wichtigsten Erkenntnisse aus verschiedenen Gesundheitsverhaltenstheorien (Ajzen, 1991; Gollwitzer, 1999; Bandura, 2000; Deci & Ryan, 2000; Kuhl, 2000; Schwarzer, 2008; Sniehotta, 2009) zusammengefasst und in einen Gesamtzusammenhang gebracht. Es wird angenommen, dass die Initiierung und Aufrechterhaltung von Gesundheitsverhalten (z.B. Bewegung und gesunde Ernährung) im Wesentlichen von fünf psychologischen Bedingungen abhängig ist, nämlich vom Vorliegen einer starken Zielintention (Ajzen, 1991), von einer möglichst hohen Selbstkonkordanz dieser Zielintention (Sheldon & Elliot, 1999; Deci & Ryan 2000), von realistischen Handlungsplänen (Gollwitzer, 1999; Sniehotta, 2009), von wirksamen Strategien des Barrierenmanagements (Kuhl, 2000) und schließlich von der Existenz positiver Konsequenzerfahrungen mit dem neuen Verhalten (Rothman, 2000; Fuchs, 2013b). Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist in der nebenstehenden Abbildung dargestellt. Eine ausführliche Beschreibung des MoVo-Prozessmodells findet sich bei Fuchs (2007).
Ausgangspunkt ist die Motivation zur Änderung eines spezifischen Gesundheitsverhaltens (z. B. regelmäßiges Sporttreiben), die ihren Ausdruck in der Zielintention findet (Ajzen, 1991; Sheeran et al., 2005). Zielintentionen sind das Ergebnis motivationaler Prozesse des Abwägens und Auswählens zwischen den verschiedenen, gleichzeitig existierenden Wünschen und Bedürfnissen der Person. Die Stärke einer Zielintention (Intentionsstärke) hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Von den erwarteten Vor- und Nachteilen des fraglichen Verhaltens (Konsequenzerwartungen) und von den spezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen. Menschen sind eher zum regelmäßigen Sporttreiben motiviert, wenn sie sich davon mehr Vor- als Nachteile erwarten und wenn sie davon überzeugt sind, die betreffende Verhaltensweise auch erfolgreich ausführen zu können (Selbstwirksamkeit).
Grundlegend für den Prozess der Umsetzung und Verstetigung eines bestimmten Gesundheitsverhaltens ist aber nicht nur die Existenz einer starken Zielintention, sondern auch einer möglichst hohen Selbstkonkordanz dieser Zielintention. Selbstkonkordanz spiegelt das Ausmaß wider, in dem ein Ziel (Sheldon & Elliot, 1999; Sheldon, 2014) bzw. eine Zielintention (Fuchs et al., 2017) mit den persönlichen Interessen und Werten der Person übereinstimmt. Dabei kann die Selbstkonkordanz in unterschiedlichen Modi vorliegen: external, introjiziert, identifiziert oder intrinsisch. Im externalen Modus ist die Selbstkonkordanz am niedrigsten, im intrinsischen Modus am höchsten. Beispielsweise hat die Person im introjizierten Modus die Gründe, die zur Herausbildung der Zielintention geführt haben, zwar schon verinnerlicht, aber es sind noch nicht die „eigenen“ (z.B., wenn sie nur deshalb Sport treibt, „weil der Arzt/die Ärztin es gesagt hat“) (Seelig & Fuchs, 2006).
Damit aus einer Zielintention tatsächliches Handeln hervorgehen kann, bedarf es einer konkreten Handlungsplanung (action planning; Sniehotta, Scholz & Schwarzer, 2006). Dabei legt die Person fest, wann, wo und wie sie die beabsichtigte Handlung beginnen bzw. fortführen möchte. Erstellt werden kleine Pläne, zum Beispiel von der Art „Mein Plan ist, am Dienstagabend um 18 Uhr an der Fitnessgymnastik des Allgemeinen Hochschulsports teilzunehmen“. Durch das Konkretisieren der beabsichtigten Handlung sowie die Spezifizierung der situativen Ausführungsbedingungen (situative Auslöser) wird die Handlungsinitiierung und damit die Umsetzung der Zielintention unterstützt (Gollwitzer, 1999).
Auch sorgfältig gefasste Handlungspläne können durch innere oder äußere Barrieren zum Scheitern gebracht werden. Der Plan „Dienstagabend 18 Uhr Fitnessgymnastik im Allgemeinen Hochschulsport“ kann beispielsweise daran scheitern, dass man gerade zu müde zum Sport ist oder dass an diesem Abend kurzfristig Freunde zum gemeinsamen Essen einladen. In solchen Situationen steht die Person vor der Aufgabe, die geplante Handlung gegenüber konkurrierenden Handlungsoptionen „abzuschirmen“. Gefragt ist dann ein kreatives Barrierenmanagement (vgl. Krämer & Fuchs, 2010), bei dem volitionale Strategien der Handlungskontrolle zum Einsatz kommen, wie z.B. die Aufmerksamkeits-, Umwelt-, Stimmungs- oder Motivationskontrolle im Sinne von Kuhl (2000).
Für die wiederholte Ausführung bzw. Verstetigung der geplanten Handlung (zum Beispiel regelmäßiges Sporttreiben) sind Rückwirkungsprozesse relevant, bei denen vermutlich das von uns postulierte Konstrukt der Konsequenzerfahrung (Fuchs, 2013b) eine zentrale Rolle spielt. Dieses Konstrukt dient dazu, die während der einzelnen Verhaltensepisoden (z.B. im Sportkurs) gemachten persönlichen Erfahrungen und deren Auswirkungen auf den weiteren Prozess der Verhaltensaufrechterhaltung abbilden zu können. Die Konsequenzerwartungen, die für die Herausbildung der anfänglichen Zielintention eine so wichtige Rolle gespielt haben, sind jetzt der Maßstab zur Beurteilung der gemachten tatsächlichen Erfahrungen mit dem neuen Verhalten. Im MoVo-Prozessmodell wird behauptet, dass diese Konsequenzerfahrungen die zukünftigen Konsequenzerwartungen ganz wesentlich beeinflussen (ausführlicher: Fuchs, 2007; 2013b).